Wir wissen nur, was wir selbst erfahren haben – und die Erfahrung ist der Extrakt aus dem, was unsere Sinne erfasst und was wir verstehend aufgenommen und gedeutet haben. Jeder von uns nimmt die sehr begrenzte Wirklichkeit um sich herum nur selektiv wahr und sieht diese Bruchstücke durch seine subjektiv gefärbte Brille. Was im Bereich des primär Erfahrbaren liegt, erfassen wir also nur begrenzt, oberflächlich und verzerrt. Alles andere wissen wir nur aus den Medien, aus wissenschaftlichen Berichten und anderen Sekundärquellen, die wir nicht überprüfen können und denen wir vertrauen müssen, obwohl uns klar ist, dass dieses Wissen gefiltert und zurechtgestutzt wurde nach den Vorstellungen derer, die uns mit diesen Informationen versorgen.
Unser Bedürfnis nach Wissen ist elementar, weil wir es für unser Leben brauchen und uns darüber hinaus von der Welt ein Bild machen wollen. Deshalb bauen wir uns aus den Bruchstücken unserer primären und sekundären „Erfahrung“ eine Vorstellung von unserer persönlichen und von der über unsere Person weit hinausreichenden Wirklichkeit zusammen. Und diese an der Realität weitgehend vorbei entwickelte Vorstellung erscheint uns real und als abgerundete Ganzheit, nachdem wir sie mit unserer Phantasie und unseren Spekulationen nach unserem Bedarf und Anspruch ergänzt haben. Wir schaffen uns in unserem Kopf ein Modell von der Wirklichkeit.
Auf der Basis dieses aus unzuverlässigen und lückenhaften Eindrücken gebastelten Modells bilden wir unsere Meinungen und Urteile – und jeder von uns ist sich dieser sicher. Obwohl also jeder Mensch das reale Geschehen auf ganz eigene Art sieht und deutet, gelingt unser Zusammenleben mehr oder weniger gut – mit vielen Brüchen und Mängeln. Wie ist das möglich? Wie können wir unterschiedlichen Menschen mit so unterschiedlichem Scheinwissen zusammenleben, ohne dass wir wie beim biblischen Turmbau zu Babel völlig sinnlos aneinander vorbeireden und uns permanent missverstehen?
Dieser Frage werde ich im nächsten Beitrag nachgehen: Wozu brauchen wir unser Wissen? zum Inhaltsverzeichnis
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